"Rechtserhaltende Benutzung von Registermarken im Abwandlungsverhältnis- Eine Besprechung der Rintisch-Entscheidung des Gerichtshofs (Proti) im Anschluss an seine Il Ponte-Entscheidung (Bainbridge)“, MarkenR 2013, 98 (im Anschluss an Lange, WRP 2008, 693

Das Ergebnis lässt sich vorwegnehmen:

 

Die für die deutsche Markenmodernisierungspraxis so wichtige Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG wurde nach einer Vorlagefrage des BGH vom Gerichtshof bestätigt.

 

Der Gerichtshof hat damit einer Lösung den Vorzug gegeben, die im fraglichen Zusammenhang allein geeignet ist, den Interessen der Markeninhaber zu dienen. Markenrechte sind für das Wirtschaftsleben notwendige Identifikations- und Kommunikationsinstrumente. Da sie langlebig sind, muss die Wirtschaft sie vorsichtig modernisieren können, ohne sie damit gleich zu gefährden. Der Erreichung dieses Zieles dient die Regelung des Markengesetzes; sie wurde durch den Gerichtshof nunmehr bestätigt.

 

 

Auffassungen in der EU:

 

Diese im Il Ponte Urteil vertretene Auffassung des Gerichtshofs ist im europäischen Recht kein unbekanntes Konzept. So hatte im deutschen Recht vor Inkrafttreten des MarkenG gegolten, dass die unbenutzte Registermarke bei einer Benutzungsanrechnung den Charakter einer Defensivmarke gewinne und somit unzulässiger Weise lediglich noch dazu diene, den Schutzumfang der benutzten Registermarke künstlich zu erweitern und Verteidigungszwecken zu dienen. Diese Rechtsprechung wollte die mit der Schutzerweiterung einhergehenden Missbrauchsmöglichkeiten eines Markeninhabers zu Gunsten des Wettbewerbs beschränken.

 

Vergleichbares hat bis zu der jetzigen Entscheidung des Gerichtshofs auch in etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegolten. Namentlich Spanien und Bulgarien haben diese Linie bis jetzt vertreten.

 

Frankreich hatte nach einer Entscheidung des in Vollversammlung tagenden Cours de Cassation noch die Ansicht vertreten, dass Artikel 5 C Abs. 2 PVÜ nur anwendbar sei, wenn eine einzige Registermarke betroffen sei. Seit 2006 teilte es dann aber die Ansicht des MarkenG, weil - wie jetzt auch der Gerichtshof argumentiert - die MarkenRL nicht danach unterscheide, ob weitere Registermarken existierten. Im Anschluss an die Il Ponte Entscheidung änderte der französische Cour de Cassation seit Oktober 2010 aber seine Rechtsprechung wieder auf die ursprünglich eingenommene Position und erkannte die Benutzungszurechnung bei Eintragung der Abwandlung nicht mehr an.

 

Selbst das Gericht der Europäischen Union folgte noch vier Wochen vor der Rintisch-Entscheidung, wenn auch mit seiner eigenen, bisherigen Begründung, der Il Ponte Linie und erkannte die Zurechnung von eingetragenen Markenabwandlungen nicht an.

 

 

Echter Paradigmenwechsel:

 

Mit Blick auf seine Il-Ponte-Ausführungen verneint der Gerichtshof allerdings einen Widerspruch zu seiner Rintisch Entscheidung. Rn. 86 des Il Ponte Urteils sei im Zusammenhang mit den Benutzungsanforderungen an Serienzeichen zu sehen, enthalte jedoch keine Aussage zur rechtserhaltenden Benutzung.

 

Jedoch bezieht sich Rn. 86 nicht nur auf die Frage der rechtserhaltenden Benutzung nach Art. 15 GMVO. Sondern der Gerichtshof erörtert diese Frage auch im Zusammenhang mit der die Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens nicht berührenden, vorgreiflichen Nichtbenutzungseinrede gegen die Widerspruchsmarken nach Art. 42 Abs. 2, 3 GMVO. Zudem hatte der Gerichtshof im Il Ponte Urteil darauf hingewiesen, dass es sich bei der Prüfung der für Serienzeichen erforderlichen Präsenz im Markt nicht um die rechtserhaltende Benutzung einer Marke handelt, sondern nur um die Benutzung einer für eine Serie genügenden Anzahl der Marken.

 

Tatsächlich wird im Rintisch Urteil daher nunmehr ein echter Paradigmenwechsel vollzogen - zum Vorteil der (insbesondere deutschen) Markeninhaber. Dazu passt, dass das Urteil völlig überraschend ohne vorherige Anberaumung einer mündlichen Verhandlung oder einer Terminierung erging. Neben den Parteien hatte nur die Kommission und die Bundesregierung in dem Rechtsstreit Stellung bezogen. Die Generalanwältin hatte auf Schlussanträge verzichtet.